Rutenfest Ravensburg: Geschichte, Tradition und Brauchtum eines einzigartigen Schülerfests

Alljährlich feiert die einstige Reichsstadt Ravensburg das historische Rutenfest. Dieses tief in der Geschichte der Stadt verwurzelte Schüler- und Heimatfest wirkt jedes Jahr wie ein Magnet auf die Bevölkerung – insbesondere auf die in die Fremde gezogenen Ravensburger. Auch wer sich von Ravensburg gelöst hat, scheint in der Ferne noch die krachenden Böllerschüsse vom Mehlsack, dem Wahrzeichen Ravensburgs, und die Trommeln der Schüler zu hören.

Ein Fest, das eine solche Ausstrahlung entfalten kann, muss seine Wurzeln tief in der Vergangenheit haben. In der Tat: Das Rutenfest unterscheidet sich von vielen anderen Kinder- und Heimatfesten durch seine jahrhundertealte Tradition. Weder Kriege noch Revolutionen haben es aus dem Bewusstsein der Bevölkerung zu tilgen vermocht. Generationen haben mitgewirkt, es am Leben zu erhalten, sein Fundament zu verbreitern, sein Programm aufzufächern und seinen faszinierenden Bilderbogen immer reichhaltiger und farbiger zu gestalten.

Wie lange das Rutenfest schon veranstaltet wird, ist nicht nachweisbar. Wahrscheinlich reicht es bis ins 14. Jahrhundert zurück – in jene Zeit, in der die Pest wütete, Missjahre und Überschwemmungen eintraten, Erdbeben stattfanden und sich die Eifersucht zwischen den Adligen und den Städtern in jahrelangen Kämpfen entlud. In der ältesten erhaltenen Winterrechnung der Stadt von 1459 ist ein Hinweis auf das „Hinausführen“ der Schüler enthalten. Dass das Rutenfest einen religiösen Ursprung hat, dass es eine stete Erinnerung an Pest, Hunger und Krieg sein sollte, geht aus den alten Rutenliedern des 18. und 19. Jahrhunderts hervor. Es brachte wohl auch den Dank der Bürger für die glücklich eingebrachte Ernte zum Ausdruck.

Das „Rutengehen“ wurde erstmals 1645 erwähnt. Die Schüler zogen mit ihren Lehrern ins Grüne, um dort die Ruten für das kommende Schuljahr zu schneiden. Obwohl die Rute bei den Schülern nicht gerade beliebt war, wurden diese „Rutengänge“ als Schulausflüge gefeiert. Lehrer und Schüler veranstalteten draußen im Grünen vor den Toren der Stadt fast einen Tag lang Spiele und Tänze. Spaß und Ernst lagen auch im Mittelalter dicht beieinander: Die Rute war Symbol für den Ernst des Lebens, das Rutenholen wurde ein Fest. Mit ihren Ruten kehrten die Schüler am Nachmittag scherzend und lustige Lieder singend zur Stadt zurück. Sie wurden von den Eltern und Bürgern an den Stadttoren abgeholt. Gemeinsam ging es nun zur Kuppelnau, um noch den Rutentag zu feiern. Während die Rutengänge im 17. Jahrhundert jeweils zum Beginn der Schuljahre im Spätsommer gehörten, krönt das Rutenfest heute das nahende Ende des Schuljahres.

Längst ist das Rutenfest ein Fest der gesamten Stadt. Immer noch aber stehen die Schüler im Mittelpunkt des Festes, und der belaubte Zweig – die Rute – in der Hand der Schüler ist das Festsymbol geblieben. Brauchtum als Ausdruck eines historischen Gefüges hat daher seit vielen Jahrhunderten unser Heimatfest geprägt – und es immer wieder neu bestätigt.